DAS BILD MIT DER GEHEIMNISVOLLEN KRAFT

3/03/2009 08:45:00 PM Edit This 7 Comments »
(von Anna)

Es ist Abend geworden. Draußen dämmert es schon. Leonard ist auf dem Sofa eingenickt. Leonard ist mein nicht mehr ganz so kleiner Bruder. Er ist siebzehn. Ich sitze an meinem Schreibtisch, auf dem alten Stuhl mit dem Holzgestell und dem dazwischen gespannten billigen Baumwollstoff. Die zwölf Schrauben im Gestell sind längst verrostet, aber das stört mich nicht. Jetzt nicht mehr. Ich sitze an meinem Schreibtisch und starre das Bild an, das vor mir über dem Sofa hängt. Es ist das Bild von Paul Klee. „Südliche Gärten“ heißt es. Das Bild hat mein Leben verändert. Ich sitze da und versuche mich zu erinnern, wie alles angefangen hat. Leonard wacht auf. Er blinzelt wegen des Lichts kurz mit den Augen, dann ist er schon wieder munter und redet wild auf mich ein. Ich höre es und höre es nicht. Ich bin in Gedanken schon wieder in der Vergangenheit:

Es war letztes Jahr, an meinem Geburtstag. Mutter schenkte mir ein verstaubtes Bild. Sie sagte verschämt: „Das Bild habe ich auf dem Flohmarkt gekauft. Von dem Bild selbst habe ich den Staub weggewischt, aber am Holzrahmen geht er leider nicht ab. Ich finde das Bild sehr schön.“ Das fand ich auch und hängte es an die Wand über dem Sofa.
Am nächsten Tag sah ich es mir gründlich an. Ich erkannte viele bunte Felder. Ich sah schwarze, dunkelhäutige Menschen, wie sie auf den Feldern arbeiten. Dann erkannte ich unten irgendwelche verschnörkelten Buchstaben. Ich wischte mit einem feuchten Tuch den Staub weg und las die Schrift. „Südliche Gärten, Paul Klee“ stand da in verblassten Buchstaben. Ich freute mich darüber, dass ich die Gärten erkannt hatte und die schwarzen Menschen aus dem Süden. Das Bild hatte etwas Besonderes, etwas Unbeschreibliches.
Am nächsten Tag, als ich wieder vor dem Bild stand, kam in mir der Wunsch auf, in den Süden zu fliegen und mir dort die Gärten anzusehen. Aber ich wusste genau, dass das Geld nicht einmal für ein halbes Flugticket reichen würde.
Viele Wochen waren verstrichen, doch ich hatte meinen Wunsch nicht vergessen. Eines Abends, als ich bei Joachim, meinem besten Freund, saß, erzählte ich ihm und seiner großen Schwester Linda von dem Bild und dann auch von meinem Traum, für ein paar Tage in den Süden zu fliegen. Linda ist Wirtschaftsingenieurin mit überdurchschnittlich hohem Gehalt.
Eines Morgens wurde ich vom Telefon geweckt. Es war Linda. Sie war aufgeregt und sprach sehr schnell. Ich verstand nur die Worte „Geld“ und „Süden“. Den Rest konnte ich mir zwar halbwegs denken, konnte es aber einfach nicht glauben und fragte: „Linda, was ist denn los? Warum bist du so aufgedreht?“ Sie erklärte ein wenig langsamer: „Ich habe mit ein paar Freunden gesprochen. Annika, Hanna, Wanda, Karo und ich werden zusammenlegen und deine kleine Reise in den Süden finanzieren! Nur für die Verpflegung musst du selbst sorgen!“ Dann war ich verwirrt und habe zehn Mal nachgefragt und sie hat jedes Mal "ja" und "sicher" und "genau" geantwortet.
Als ich nur zwei Wochen später im Flugzeug nach Mali saß, konnte ich es immer noch nicht fassen. War das alles wirklich wahr? War ich wirklich auf dem Weg nach Mali? In Bamako, der Hauptstadt von Mali, angekommen, stieg ich in einen Bus, der mich ins Hotel nach Timbuktu fahren sollte. Ich schlief sofort ein und wachte erst zehn Minuten vor dem Hotel wieder auf. Ich sah aus dem Fenster und erstarrte: Um uns herum war alles wie verlassen. Nur ab und zu ragten ein paar niedrige Gebäude aus der staubigen Erde.
Im Hotel aß ich erst einmal zu Abend. Danach war ich so müde, dass ich gleich ins Bett ging. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück wollte ich die Umgebung erkunden: Irgendetwas musste es hier ja noch geben außer dem Hotel und den beiden Supermärkten, in denen es kaum etwas gab außer Mais, Brot, Tee und Reis. Bei meinem Spaziergang stieß ich auf drei Wohnhäuser, zwei Imbissbuden und eine kleine Taverne. Kurz gesagt: Der Ort war ziemlich trostlos. Am nächsten Tag, etwa um dieselbe Uhrzeit, beschloss ich, mit dem Bus ins Zentrum von Timbuktu zu fahren.
Dort war alles mit Häusern bebaut und es sah auch eher nach einer Stadt aus als der verwüstete Ort, in dem mein Hotel lag. Da ich bis zum Abendessen Zeit hatte, wollte ich diese auch nutzen und spazierte ziellos die Straßen entlang. Um die Mittagszeit, als die Sonne brennend heiß auf meinen Rücken stach, war ich in einem ärmlichen Dorf angekommen. Die Männer arbeiteten unermüdlich auf ihren verstaubten Feldern und in ihren vertrockneten Gärten. Das, was da aus der Erde zu wachsen versuchte, sah wirklich bedauernswert aus. Die meisten Felder waren voll von verschrumpelten Maiskolben. Die Männer hatten durchgeschwitzte Baumwollhosen an. Sie sahen so erschöpft aus, als hätten sie seit drei Wochen nicht mehr geschlafen. Hinter jedem Garten war ein kleines Holzhäuschen mit je einer Tür und einem Fenster ohne Glasscheibe. In den Häuschen sah es überall gleich aus: Ein Holztisch mit einem Holzhocker und ein kleiner Wandschrank, ebenfalls aus Holz. Der Anblick des Gesamtbildes war so armselig, dass mir die Leute, die dort arbeiteten, ziemlich Leid taten.
Ich verglich das Dorf unwillkürlich mit meiner kleinen Wohnung und da kam sie mir richtig groß vor. Ich verglich meine Lebensumstände mit denen der Arbeiter und musste feststellen, dass ihre noch viel schlechter waren.
Das war der Tag, an dem ich zum ersten Mal zumindest einigermaßen zufrieden mit meinem Leben war.
Meine restlichen Tage in Mali verbrachte ich in dem Wüstenort. Ich durfte mein weniges Geld ja nicht ausgeben, weil es noch für zu Hause reichen musste. Doch das war ich gewöhnt und jetzt, nachdem ich das verarmte Dorf gesehen hatte, machte es mir noch nicht einmal mehr etwas aus.
Zu Hause erzählte ich Leonard, Joachim, Linda, Annika, Hanna, Wanda und Karo von meinem Urlaub in Mali und von dem Dorf und von dem Wüstenort und wieder von dem Dorf und von den Supermärkten und wieder von dem Dorf.
Als ich eines Abends im Bett lag, dachte ich: „Das habe ich alles nur dem Bild zu verdanken. ‚Südliche Gärten, Paul Klee’.“ Dann schlief ich ein.

Allmählich kehre ich wieder in die Gegenwart zurück. Leonard spricht immer noch. Er hat wohl nicht gemerkt, dass ich ihm nicht zugehört habe. Jetzt fange ich an, seine Worte zu verstehen. Er spricht von dem Bild. Wie toll es sei, dass ich damals nach Mali geflogen bin und dass ich dort bis zu diesem Dorf gewandert bin. Das habe auch sein Leben verändert. Er hat Recht, denn wir leben zwar immer noch in Armut, sehen die Sache jetzt aber mit ganz anderen Augen!

7 Kommentare:

=] henni [= hat gesagt…

des is voll HAMMA anna^^

lubi =) hat gesagt…

is wirklich voll cool =]^^

Lala =] hat gesagt…

huhu anna =)
ich find deine Geschichte auch voll Toll :) voll spannend und so

º•● Lachgummi ●•º hat gesagt…

hallöle anna deine Geschichte ist einfach SuPeR

§julia§ku. hat gesagt…

anna..!!???^^ ich find die geschichte sauu geill..!!::D:D

lysmmm unvm bmvvw..^^

Captain Cook hat gesagt…

Eine sehr schöne stimmungsvolle, gut konstruierte Geschichte! Ich kann mich gut in die Hauptperson (sie hat keinen Namen, oder?) einfühlen! Das stimmt nämlich, dass unser Glück immer relativ ist, bzw. es sehr darauf ankommt, mit welchen Augen wir auf unser Leben schauen. Und dass ein Bild ihr die sozusagen die Augen geöffnet hat, passt doppelt gut! Ich finde, deine Geschichte braucht noch einen besseren Titel,der neugierig uf die Geschichte macht. Fällt dir da noch was ein? KÖnntest du dir eine Fortsetzung vorstellen? GEht der Weg deiner Hauptfigur nach Mali und zurück? Schau dir doch noch ein paar andere Bilder von Klee an - vielleicht fällt dir ein zweites Kapitel ein, oder du schreibst ein buch mit lauter Klee-Geschichten! Eine wortklauberei noch: Meinst du wirklich, in Afrika kann man von einer Schrebergartensiedlung sprechen? Es sieht vielleicht so aus, aber wie könnte es noch heißen? Ein Slum? Ein ärmliches Dorf?

x3' ♥Julia ♥ x3' hat gesagt…

uiiuii meine kleine mausi!

Die Geschichte ist vull tolliq..♥

Ey..aber echt!

Hab dich voooll Lieb..=*

qaaanz LIebe qrüße..JuLia..=]